Herzlich Willkommen!

"Engagement ist freiwillig und umsonst - aber niemals ohne Gewinn" (Jutta Oxen)

Samstag, 24. Mai 2014

Die Nacht ist dunkel. Der Strom ist ausgefallen. Es ist kalt. - Ich bin wieder Zuhause! Zweieinhalb Wochen lang waren wir unterwegs: Dar es Salam, Tukuyu, Salima und Lilongwe (Malawi), Mbeya, Sansibar. Im Rahmen unseres Zwischenseminars haben wir sowohl das tansanische Gesundheits- und Verkehrssystem erkundet, als uns auch auf die Spuren der Deutsch-Ostafrikanischen Geschichte begeben.
Unsere Reise begann mit einer 10stündigen Busfahrt in einem vergleichsweise luxuriösen Bus nach Dar es Salam – die wohl bekannteste und wichtigste Stadt Tansanias. Auch wenn die Hauptstadt Dodoma ist, ist der Regierungssitz Tansanias in der Hafenstadt Dar es Salam. Dar es Salam wird von einem Fluss in zwei Teile geteilt. Mit einer Fähre überquerten wir diesen, um dann ein paar Tage in einer hübschen Lodge direkt am Strand in kleinen Holzhütten zu wohnen. Zu Fuß erkundeten wir die Stadt und mussten feststellen, dass zwischen unserem vergleichsweise kleinen Dorf am Kilimanjaro und der tansanischen Großstadt hier Welten liegen. Umgeben von Hochhäusern, südafrikanischen Fastfoodketten  (und Subways), zahlreichen Banken, Botschaften und der Masse an Autos, LKW und Bussen fühlten wir uns ein wenig verloren. Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, ließen wir die modernen Gebäude hinter uns, bogen um eine Ecke und trafen auf alte Kolonialgebäude, die einen krassen Kontrast zu den vorigen boten. Doch nicht nur die vielen Eindrücke, sondern auch die durch die Regenzeit bedingte schwüle Hitze machte uns ein wenig zu schaffen, sodass wir abends immer recht früh ins Bett fielen. Bei einem Besuch im Nationalmuseum erfuhren wir ein bisschen über die Geschichte Tansanias, in der auch die Deutschen eine große Rolle gespielt haben. Von 1885 bis 1918 war Tansania (damals noch Tanganyika, also das tansanische Festland ohne Sansibar) deutsche Kolonie und ein Teil des sogenannten Deutsch-Ostafrika. Danach (also nach dem 1. Weltkrieg) wurde Tanganyika britisches Mandat. Die Kolonialzeit spielte im Nationalmuseum allerdings nur eine kleine Rolle. In den folgenden Tagen sollten wir dazu noch deutlich mehr erfahren. Es gab auch nicht besonders viele Ausstellungsstücke. Wir konnten einen alten Lageplan von Dar es Salam betrachten, die alte Währung Deutsch-Ostafrikas – die Rupien -  und einen Mercedes Benz E300, den der erste tansanische Präsident Julius Nyerere in Deutschland gekauft hat.
Nach zwei Tagen stieß Papi Gilbert zu uns und wir unternahmen einen Tagesausflug in das ca. eine Stunde entfernte Bagamoyo. Auf dem Weg konnten wir die Überreste der Überflutungen sehen, die es noch vor wenigen Tagen in Dar es Salam gegeben hatte. Außerhalb der Stadt gab es wieder die uns bekannteren kleinen Dörfer, wo manche Häuser lediglich aus Lehm und Stroh bestehen. Auf der Hälfte der Höhe konnten wir noch die Linien sehen, die das Hochwasser hinterlassen hatte. Die Hütten mussten also halb unter Wasser gestanden haben… Die meisten Wiesen waren noch überschwemmt und wir konnten Frauen beobachten, die das restliche Dreckwasser nutzten, um darin ihre Wäsche zu waschen, während die Kinder badeten.
Als wir in Bagamoyo ankamen, erwartete uns eine ausgestorben wirkende Stadt. Überall waren leere und oft zusammengefallene, alte Gebäude zu sehen. Bagamoyo ist eine alte deutsche Stadt und war früher die Hauptstadt der deutschen Kolonialisten. Wir besichtigten ein Museum auf dem Gelände eines Klosters, in dem die erste Kathedrale errichtet worden war. Dieses Museum war deutlich interessanter aufgemacht als das Nationalmuseum in Dar. Es gab beispielsweise ein Exemplar einer Zeitung, der „Usambara-Post“, in der ein Artikel mit der Überschrift „Wie erzieht man am besten den Neger zur Plantagenarbeit?“, einen originalen Freibrief eines Sklaven von 1905 oder die Uniform eines deutschen Soldaten, der in Deutsch-Ostafrika gelebt hat. Nach dem Museumsbesuch machten wir eine Führung durch den Ort und konnten dabei noch zahlreiche andere alte, deutsche Gebäude besichtigen. Das Regierungsgebäude, die Post, den Hafen, sowie den deutschen Friedhof. Auf Letztem erzählte unser Guide uns die Geschichte einer deutschen Frau, die ihren Mann - einen Leutnant – mit einem Afrikaner betrogen hat. Ihr Mann hat sie daraufhin umgebracht, der Afrikaner ist entkommen und der Mann wurde wegen Mordes zur Todesstrafe verurteilt. Beide sind nebeneinander auf dem deutschen Friedhof begraben…

Schon bald ließen wir Dar es Salam hinter uns und machten uns auf den Weg in Richtung Süden. Intelligenterweise fuhren die Busse alle um 6 Uhr los, sodass wir eine gefühlte Ewigkeit brauchten, um aus der Stadt heraus zu kommen. Doch als wir es endlich geschafft hatten, gab es plötzlich nichts mehr. Die Landschaft bestand nur noch aus Wiesen (die meisten davon immer noch überschwemmt), Büschen und vereinzelt ein paar Häusern oder auch einmal einem kleinen Dorf. Ab und zu kamen wir an großen, umgestürzten Bäumen vorbei, die halb auf der Straße lagen oder eine Brücke halb zerstört hatten. Glücklicherweise war mittlerweile alles schon so beseitigt, dass die Straßen nicht mehr ganz blockiert waren und es nur zu kurzen Verzögerungen kam. Immer wieder sah ich Autos oder LKW, die von der Straße abgekommen waren und irgendwo in einer Wiese herum lagen. Nach einem Unfall wird hier der Unfallwagen anscheinend nicht beseitigt, sondern einfach liegen gelassen. Irgendwann kamen wir durch den Mikumi Nationalpark, in dem wir Giraffen, Zebras, Elefanten und Impalas beobachten konnten. Ebenfalls während der ganzen Fahrt allgegenwärtig: Kinder, die auf Wiesen mit ihren selbstgebastelten Bällen Fußball spielten. Stundenlang kamen wir durch keine größere Stadt mehr und irgendwann erreichten wir das südliche Gebirge. Die doch relativ gut ausgebaute Straße schlängelte sich hindurch und langsam wurde die stickige Luft im Bus etwas angenehmer als wir an Höhe gewannen. Je höher wir kamen, desto mehr Affen saßen am Straßenrand und beobachteten aus mehr oder weniger sicherer Entfernung, die zahlreichen Busse und LKW, die an ihnen vorbeifuhren. Nach 14 Stunden Busfahrt erreichten wir Tukuyu in der Nähe von Mbeya und wurden dort von einem Freund von Gilberts Bruder abgeholt, bei dessen Familie wir dann übernachteten.
Den nächsten Tag verbrachten wir in Tukuyu, wo wir uns wieder auf die Spuren der deutschen Geschichte begaben. Auch hier hatten die Deutschen sich eine Stadt (Neu Langenburg) hin gebaut und wir besichtigten den ehemaligen Stadtkern, den eine dicke Stadtmauer vor den Afrikanern schützen sollte. Die deutschen Kolonialisten, die hier im südlichen Gebirge Tansanias lebten, hatten kaum Kontakt zu ihren Kollegen an der Küste, waren dafür aber gut mit den Briten befreundet, die das heutige Malawi besetzt hatten. So kam es, dass sie erst zwei Jahre später von ihren britischen Freunden erfuhren, dass der Krieg ausgebrochen war und sie somit keine Freunde mehr sein konnten…
Als wir anschließend auf dem Weg zu einer Teefarm waren, entdeckten wir den Mannschaftsbus der tansanischen Fußballnationalmannschaft des Festlandes – den Taifa Stars. Kurzerhand hielten wir an und Gili redete mit irgendjemandem. Die Mannschaft sei gerade in Mbeya und habe Training. Wir sollten am Abend ins Hotel kommen und könnten dann den Trainer und den Manager treffen.
Also fuhren wir weiter zu einer kleinen privaten Teefarm. Auch Kaffee wird in dieser Region viel angebaut, was für uns aber nicht so interessant war, da wir den Kaffeeanbau ja schon von Zuhause aus unserer Region am Kilimanjaro kennen. Tee wird bei uns allerdings nicht angebaut. Wir sahen einem Mann dabei zu, wie er mit einer „neuen Technik“ die hellgrünen, frischen Blätter abschnitt und sie über sich in einen großen Behälter auf seinem Rücken beförderte. Dies sei eine „neue, moderne Technik“, laut Papi. 1kg dieser Teeblätter kostet 250 tansanische Schilling (TSH), was ungefähr 12,5 Cent entspricht. Davon bekommt der Arbeiter 100TSH (5 Cent) und der Farmbesitzer 150TSH (7,5 Cent).
Am Abend trafen wir uns dann tatsächlich mit dem Manager der Taifa Stars auf ein Bier. Dieser bestellte allerdings den deutlich teureren Wein zu dem er uns dann aber auch einlud. Nach einer Weile fuhr auch der Mannschaftsbus auf den Hof des Hotels. Während die Spieler sich alle zum Duschen auf ihre Zimmer zurückzogen, gesellte sich der Trainer ebenfalls zu uns. Er ist erst seit einer Woche der neue Trainer und ist Holländer. Zum Abschluss bekamen wir jeder noch eine Trainingsjacke der Mannschaft.

Mit dem Bus ging es dann weiter bis zur Grenze nach Malawi. Die Landschaft war wirklich beeindruckend. Wir fuhren an einem Tal entlang, durch das sich ein schmaler Bach schlängelte. Nachts hatte es geregnet und ein verblassender Regenbogen war noch am Himmel zu sehen. Die aufgehende Sonne versteckte sich noch hinter den Wolken, tauchte aber das ganze Gebirge in ein warmes Licht. Die Hügel wurden von kleinen Büschen und Bäumen bedeckt als hätten sie ein Fell aus Blättern. Es war richtig wie im Gebirge und nicht wie bei uns am Kilimanjaro: flaches Land, aus dem sich dann unerwartet ein Hügel erhebt. Als wir in einem kleinen Ort an der Grenze angekommen waren, stiegen wir aus dem Bus und mussten noch ca. 1 km laufen. Hier scheinen nicht oft Weiße hin zu kommen, denn anders als in unserer Region, wo Weiße eine Attraktion sind, beäugten uns die meisten hier nur sehr misstrauisch und schüchtern. Kein Kind wäre auf die Idee gekommen, auf uns zu zu rennen, um unsere Arme zu berühren. Die Beamten an den Aus- und Einreiseschaltern waren sehr erstaunt als wir sie auf Kiswahili angesprochen haben. Recht schnell hatten wir unsere Stempel im Pass und befanden uns auf der anderen Seite der Grenze -  jetzt in Malawi. Nachdem wir Geld getauscht hatten (4.000 tansanische Schilling sind 1.000 malawische Kwacha), machten wir uns in einem Dala (ein kleiner, enger, klappriger Bus) auf den Weg in Richtung Süden nach Salima, wo Gilberts Bruder Jese wohnt, der uns zu sich eingeladen hat. Malawi ist ein recht kleines Land. Im Osten wird es vom Lake Malawi begrenzt und im Westen von einem Gebirgszug. Die Erde ist nicht wie in Tansania rot, sondern eher weiß und sandig. Und auch schnell stellten wir einen anderen, sehr gravierenden Unterschied zu Tansania fest: die Sicherheit. Auch Malawi ist ein vergleichsweise ruhiges Land, doch anscheinend nicht ganz so ruhig. Ständig gab es Polizei- oder Militärsperren. Auf der Strecke von der Grenze bis Mzuzu wurden wir 8 Mal kontrolliert. 3 Mal davon wurde der ganze Bus auseinandergenommen und bis auf das kleinste Gepäckstück durchsucht. Irgendwann erfuhren wir, dass wohl ein paar Tage zuvor der Polizeichef selbst dabei erwischt wurde, wie er Flüchtlinge ins Land geschmuggelt habe. Die Sperren und Kontrollen hätten aber mit diesem Vorfall nichts zu tun. Auch die am 20. Mai bevorstehenden Wahlen seien nicht der Grund dafür. Kontrollen gebe es hier immer so häufig. Irgendwann behielt ich meinen Pass einfach in der Hand… Um mich davon abzulenken, dass die Bankreihen selbst für mich zu eng waren und daher meine Knie schmerzten und es auch sonst recht eng war, betrachtete ich die Landschaft und ließ alles auf mich einwirken. Der See war traumhaft blau. Mitten drin gab es einige Sandbänke, über denen man Sandstürme erkennen konnte. Es gab viele kleine Fischerdörfchen am See und somit auch zahlreiche Fischverkäufer, die uns ihre Fische anboten. Die Straße, die wir entlangfuhren, war gut ausgebaut – aber auch die einzige in ganz Malawi. Es gibt eine Straße, die einmal die ca. 800km von Norden nach Süden durch das schmale Land führt. Links und rechts davon gibt es nur Holperwege. LKW und große Reisebusse waren gar nicht unterwegs. Die dürfen hier nur nachts fahren, erzählte uns eine Mitreisende, während sie ihr Kind im vollen, engen und stickigen Dala stillte, damit es ruhig war und nicht schrie. Wenn es keine Schnuller gibt, braucht ein Kind eben eine Brust zum Nuckeln. Eine ganze Weile fuhren wir an der Küste des Sees entlang. Die einzige etwas größere „Stadt“ war Livingstonia, deren Namen uns sehr amüsierte. Irgendwann führte die Straße dann in das Gebirge hinein – weg vom See. Die Straße ging serpentinenförmig ins Gebirge hinauf, was in Tansania nur sehr selten ist. Die Straße, die beispielsweise bei uns den Kilimanjaro hinaufführt, ist nämlich einfach gerade hoch gebaut und somit so steil, dass die immer überfüllten Busse sehr kämpfen müssen, um hoch zu kommen. Diese Serpentinenstraße hingegen war leicht zu befahren und stammt vermutlich aus der Kolonialzeit und wurde von den Briten erbaut. Am Straßenrand saßen überall Affen herum und spielten. Der Fahrer fand es witzig ganz nah an sie heranzufahren, um sie zu erschrecken. Die Affen zeigten sich davon aber völlig unbeeindruckt und blieben einfach sitzen. Während wir immer mehr an Höhe gewannen, hatten wir noch kurz einen tollen Ausblick auf den See, doch dann verschwand er. Immer mehr Dörfer kamen in Sicht, immer wieder hielten wir an und immer mehr Menschen stiegen zu uns ins Dala. 29 Erwachsene und 6 Kinder plus sämtliches Gepäck befanden sich maximal in dem kleinen Bus, in dem es 12 Sitzplätze gibt und das von der größte vergleichbar mit einem VW-Bus ist.
In der ersten richtigen Stadt, Mzuzu, endete unsere Dalafahrt. Am Busbahnhof stiegen wir um in einen etwas größeren Bus, in dem wir immer hin keine Angst haben mussten, dass unsere Beine nach der Fahrt 10cm kürzer sein würden… Dafür hatten wir einen netten Pastor, der in dem Bus lautstark seine Predigt herumschrie, Lieder sang und hinterher Geld dafür sammelte.
In Malawi ist Englisch eine der beiden Amtssprachen. Deutlich häufiger als in Tansania hörten wir Menschen auf Englisch reden, doch wirklich gut verständigen konnte man sich auf Englisch trotzdem nicht, was uns in einigen Situationen vor eine kleine Herausforderung stellte, da sich nun nicht einmal Papi richtig verständigen konnte. Die zweite Amts- und anscheinend verbreitetere Sprache heißt Chichewa. Ein freundlicher Mann gab uns während der Fahrt auch direkt eine kleine Einführung:

Mwazuka bwanji?                          - Wie geht es dir? (Morgens)
Mwasa bwanji?                              - Wie geht es dir? (Nachmittags)
Taswela kayinu.                             - Mir geht es gut.
Zikoma kwambili.                          - Vielen Dank.
Bobo.                                              - Hallo.
Shapshap.                                      - Hallo. (als Antwort)

Während unserer Fahrt in Richtung Süden stellten wir fest, dass sich alle größeren Städte im Süden befinden. Der Norden ist kaum besiedelt und ärmer als der Süden. Nach ca. 18 Stunden erreichten wir dann im Dunkeln endlich Salima. Hier war es jetzt jedoch eine Stunde früher als in Tansania. Zwei Jungs holten uns von der Bushaltestelle ab und führten uns zu einem Guesthouse hinter einer Bar, aus der lautstark Musik drang, obwohl es mitten unter der Woche war. Bar und Guesthouse gehörten Jese. Dieser hatte uns zwar eingeladen, befand sich aber momentan in China, um dort irgendwelche Geschäftsverhandlungen zu führen. Essen bekamen wir aber immer von Jese’s Frau bei ihm Zuhause. Bei dem Frühstück stellten wir fest, dass es Fairtrade-produkte auch in Malawi gibt. In den folgenden Tagen erkundeten wir die Stadt. Auf dem Marktplatz gab es noch altes Kopfsteinpflaster. Wir kosteten eine Baobabfrucht, die sehr sauer war, aber deren Schale ein ganz weiches Fell hatte. Die Kerne könne man mahlen und daraus Kaffeepulver herstellen. Überall in den Bäumen hingen bunte Fahnen und warben für Parteien. Auch Wahlplakate (teilweise lediglich schwarz-weiße Ausdrucke) waren in der ganzen Stadt verteilt. Wir machten auch einen Ausflug an den See, der 21km entfernt von Salima lag. Am Strand wehte eine rote Fahne. Der Wellengang war für einen See wirklich beeindruckend. Es kam uns eher vor als befänden wir uns gerade im Meer.
Abends wurden wir immer auf ein Bier in die Bar eingeladen. Anders als in Tansania gibt es hier aber kein traditionell gebrautes Bier und auch bei dem Flaschenbier hatte man keine besonders große Auswahl: es gab Caldenberg grün und Caldenberg braun. Deshalb reichte es schon, wenn man dem Kellner um zu bestellen einfach nur „green“ oder „brown“ zurief.
Einen Tag machten wir einen Ausflug nach Mua. Auf dem Weg dorthin faszinierte uns wieder einmal wie unglaublich wenig Verkehr es hier gab. Unser Fahrer erklärte uns, dass es in Malawi gravierenden Kraftstoffmangel geben würde. Die Benzinpreise waren tatsächlich unglaublich hoch und erreichten problemlos die Preise in Deutschland, was vergleichsweise für die Menschen hier natürlich unbezahlbar ist. Dafür liefen zahlreiche Menschen und Tiere die Straße entlang. Schwere Lasten wurden von Eseln getragen oder in von Kühen gezogenen Karren transportiert. Außerdem gab es viele Fahrräder und auch Fahrradtaxen, von denen man sich günstig irgendwo hin fahren lassen konnte.
Wir wurden auch Zeugen einer traditionellen Wahlkampfveranstaltung, bei der als traditionelle Geister Verkleidete die Straße entlang zogen und ihre Parolen brüllten. Mua selbst war ein sehr altes britisches Dorf, was aus großen Steinhäusern bestand. Eine große Kirche bildete das Zentrum. Wir liefen ein wenig umher und kamen in ein kleines, ärmlicheres Dorf. Hier gab es plötzlich nur noch Lehmhütten, die aber oft mit alten Dachziegeln bedeckt waren, anstatt mit Stroh. Die Kinder hatten Blähbäuche und spielten mit selbstgeschnitzten Kreiseln. Hier wurde uns klar, dass es in Malawi auch akuten Nahrungsmangel geben musste… Das Dorf lag an einem kleinen, sehr dreckigen Fluss, in dem Frauen ihre Wäsche wuschen und Kinder badeten. Wir liefen zurück nach Mua und besichtigten ein Museum über die malawische Geschichte und Kultur, was in einem sehr hübsch angelegten botanischen Garten lag, der früher einmal als Zoo genutzt wurde, dann aber wegen zu hoher Kosten geschlossen werden musste. Wir erfuhren, dass es in Malawi 35 verschiedene Stämme gibt (zum Vergleich: in Tansania sind es 120-130). 1889 kamen 3 Missionare aus Frankreich, England und Deutschland nach Malawi, die ihre Zelte unter einem Baobabbaum aufstellten. Dieser Baum wurde das Zentrum der Stadt und die Samen für den christlichen Glauben wurden gesät. Unser Guide führte uns durch die 3 Räume, die symbolisch für diese drei Zelte errichtet wurden und erzählte uns eine Menge über verschiedene Stämme. Bei den Bonga gebe es drei Dinge, die für einen Mann wichtig seien: BMW (Beer, Meat, Woman). Bei der Wahl einer Frau achte er darauf, dass sie ein hübsches Gesicht habe, große Brüste und einen großen Hintern. Eine Frau müsse außerdem gutes Bier machen, gut kochen und gut tanzen können. Wenn eine Frau diese Qualitäten auch vor ihrer Schwiegermutter bewiesen hätte, könne der Mann ihr einen Heiratsantrag machen, indem er einen Brief an ihren Onkel schreibe und nach dessen Zustimmung könne geheiratet werden. Ein Mann dürfe nur mit seiner eigenen Frau tanzen. Tanze er mit einer anderen Frau oder diese mit einem anderen Mann, käme das Fremdgehen gleich. Ein alleinstehender Mann bzw. eine alleinstehende Frau dürfe auch nur alleine tanzen. Nach der Geburt eines Kindes darf der Mann 4 Monate lang weder seine Frau noch sein Kind berühren, um seine sexuellen Energien nicht auf sie zu übertragen. Die Frau müsse sich erst von der Geburt erholen und das Kind sei noch zu unschuldig. Außerdem müssten Frauen drei Mal am Tag baden, um sauber zu sein.
Ein Krieger werde nach seinem Tod sitzend in einem Kasten beerdigt. Dieser Kasten hat Fenster, damit er auch im Tod noch rechtzeitig seine Feinde sehen kann. Teilweise ist dies auch immer noch so. Nach dem Tod eines Mannes wird sein Haus abgerissen und seine Frau und Familie muss umziehen.
An unserem letzten Tag in Malawi machten wir uns mitsamt unserem Gepäck auf den Weg in die Hauptstadt Lilongwe. Hier gab es zahlreiche Fußgängerbrücken, damit die Menschen sicher über die vergleichsweise stark befahrene Straße gelangen konnten. Auf einem Parkplatz trafen wir uns noch kurz mit Jese, der gerade aus China zurückgekehrt war. Dann mussten wir leider schon weiter zum Bus, um zurück nach Tansania zu fahren. Wir wollten vorher noch schnell etwas zu Essen einkaufen, waren aber auf das, was uns dort erwartete, nicht vorbereitet. Mitten in dem Land, von dem wir bisher überwiegend Armut mitbekommen hatten, befanden wir uns plötzlich in einem riesengroßen amerikanischen Supermarkt, in dem es so ziemlich alles gab, was man sich erträumen konnte – und ich bekam eine leise Vorahnung, was für ein Kulturschock mich bei meiner Rückkehr nach Deutschland erwarten könnte… Beim Verlassen des Supermarktes mussten wir sogar unsere Rechnung vorzeigen, um raus gelassen zu werden! Den krassen Gegensatz zwischen arm und reich so unerwartet vor Augen zu haben, machte uns einfach nur sprachlos.
Als wir unseren Bus erreichten, mussten wir feststellen, dass es keine Sitzplätze mehr gab. Es sei eine malawische Tradition, am Wochenende nach Mzuzu zu fahren, um einzukaufen. Es waren also so ziemlich alle Menschen unterwegs. Und wir konnten es uns müde wie wir war beim besten Willen nicht vorstellen, knapp 6 Stunden in einem vollgequetschten Bus die ganze Nacht zu stehen. Wir warteten 5 Stunden am Busbahnhof bis wir einen anderen Bus gefunden hatten, in dem wir wenigstens nur die erste Stunde stehen mussten und dann fast alle einen Sitzplatz bekamen oder wenigstens die Möglichkeit, sich auf eine Stufe zu setzten. Wir fuhren wieder bis Mzuzu und von dort in einem Dala, was dieses Mal gefühlt noch kleiner und enger war als bei der Hinfahrt, zur Grenze. Als wir wieder in Tansania eingereist waren, besuchten wir noch kurz Gilis Onkel, der in dem kleinen Ort wohnt. Er lud uns zu einer Soda und etwas zu Essen ein. Wir kosteten Kasawa, was uns bisher noch unbekannt war, aber hier in Südtansania und Malawi zu den Hauptnahrungsmitteln zählt. Es schmeckte eigentlich genau wie Kartoffeln.
Mit dem Bus fuhren wir wieder zurück nach Mbeya, übernachteten dort und setzten früh morgens unsere Reise zurück nach Dar es Salam fort. Marcus – unser Seminarleiter – flog zurück nach Deutschland und Gilbert zurück nach Moshi. Eike, Lisa, Laura und ich wollten am nächsten Tag nach Sansibar aufbrechen. Die Nacht konnten wir bei Esther, einer alten Schulfreundin meines Vaters, die in Dar es Salam in einem deutschen Internat für Missionarskinder arbeitet, verbringen. Als wir dort ankamen, wurden wir von ihr sehr herzlich begrüßt. Das Internat war tatsächlich wie ein Stück Deutschland. Es lag in einem kleinen Wald (soweit wir das in der Dunkelheit erkennen konnten) im Norden von Dar es Salam. Unser Zimmer war groß und sehr stilvoll eingerichtet. Wir hatten sogar ein richtiges Bad, mit Duschkabine und heißem Wasser! Das Wasser war allerdings so heiß und ungewohnt, dass ich mich nach Kurzem dazu entschloss, doch lieber kalt zu duschen… Und das kalte Wasser war trotzdem noch wärmer als das Wasser, was bei mir aus der Leitung kommt. Zum Abendessen bekamen wir Brot und richtigen Käse!

Am nächsten Morgen mussten wir schon wieder früh aus den Federn, um vor dem Berufsverkehr zur Fähre zu gelangen. Schon um halb 6 Uhr waren in Dar es Salam zahlreiche Autos unterwegs, aber noch ging es voran und wir kamen an der Fähre an ohne in einen Stau zu kommen. Dank unseres Working Permits mussten wir nur den Preis für Residents bezahlen und haben so mehr als die Hälfte gespart. Die Fähre fuhr sehr schnell und wir kamen uns ein bisschen vor wie in einer Achterbahn als wir so über die Wellen hüpften in Richtung Sansibar. Nach 1,5 Stunden hatten wir die Insel erreicht. Bei der Ankunft wurden wir von zahlreichen Taxifahrern bestürmt, durch die wir uns geschickt durchdrängeln konnten. Wir fanden ein recht günstiges Guest House und begannen damit, Stone Town zu erkunden. Wir schlängelten uns durch die schmalen und verwinkelten Gässchen und ich war froh, nicht alleine hier zu sein. Denn dann hätte ich mich mit an 100% grenzender Wahrscheinlichkeit hoffnungslos verirrt. Doch Eike konnte wundersamerweise den Überblick behalten und führte uns zielsicher immer wieder zurück zu unserem Hotel. Den ersten Tag regnete es noch sehr heftig, sodass wir uns damit begnügten, ein paar Läden zu erkunden und die kulinarischen Kostbarkeiten der Insel in tollen Restaurants und Cafés mit Meerblick zu genießen. Doch dies schien hier der letzte Regentag zu sein. Die letzte Woche hatte es wohl sehr oft und heftig geregnet, wie wir mehrmals erfuhren.
So ziemlich jede Frau trug Kopftuch oder Burka und auch einige Mädchen hatten schon in ganz jungem Alter ein Kopftuch auf. Sansibar ist sehr muslimisch geprägt. Daher kommen auch die verwirrenden Gassen, die sich um die zahlreichen Moscheen schlängeln, die alle nach Mekka ausgerichtet werden mussten.  Und in ca. jedem dritten Haus befand sich eine Moschee…
An unserem zweiten Tag machten wir eine Spice tour zu einer Farm im Inselinneren. Auf dem Weg dorthin kamen wir an vielen Schulen vorbei, in denen alle Räume offen waren. Die Mädchen trugen alle ein Kopftuch, was zu der Schuluniform gehörte. Auf der Farm angekommen, führte unser Guide uns herum und zeigte uns zahlreiche Gewürze und Früchte. Wir sahen schwarzen Pfeffer, Zimt, Chili, Nelken, Dragonfruit, Jackfrucht, Kardamon, Kurkuma, Menthol, 2 von 3 Kokosnusssorten, Kakao, Kaffee, Vanille, Pampelmusen, Zitronengras, eine Haargelfrucht, eine Lippenstiftfrucht, Muskatnuss, Orangen, Ingwer, Sternfrucht… Das Meiste durften wir probieren und bekamen eine aus Bananenblättern hergestellte Tüte, in denen wir unsere „Proben“ sammeln konnten. Und mit Armbändern, Ringen, Ketten und Krawatten aus Bananenblättern wurden wir geschmückt. Nach der Tour hatten wir noch Zeit, an einem weißen, absoluten Traumstrand im klaren, türkisblauen Ozean schwimmen zu gehen. Auf der Rückfahrt machten wir noch kurz Halt bei einer Sklavenhöhle, in denen die Sklaven versteckt wurden, nachdem die Briten den Sklavenhandel verboten hatten. Kinder durften nicht alleine an den Strand gehen, da die Eltern in ständiger Angst lebten, jemand würde es entführen und als Sklave illegal verkaufen. Aus dem tansanischen Festland wurden Sklaven über Bagamoyo nach Sansibar gebracht und von dort dann an arabische Länder verkauft.
Abends aßen wir auf dem Nachtmarkt am Meer Sansibarpizza, die dort an zahlreichen kleinen Ständen je nach Wunsch zubereitet wurden. Dazu tranken wir frischen Zuckerrohrsaft und genossen die gemütliche Atmosphäre. Auch die zahlreichen abgemagerten Straßenkatzen versammelten sich hier jeden Abend und kämpften um jeden Krümel, den sie bekommen konnten.
Einen Tag fuhren wir in einem wenig vertrauenerweckenden Boot nach Prison Island und besichtigten dort das alte Gefängnis und die Riesenschildkröten, die dort leben. Die Älteste ist 155 Jahre alt.
Auf dem Rückweg hielten wir an einem Korallenriff und gingen schnorcheln. Das Wasser war angenehm warm und die Unterwasserwelt, die sich uns bot, beeindruckend!

Wie im Flug ging die Zeit vorbei und wir machten uns wieder auf den Weg nach Hause, wo wir so herzlich wieder empfangen wurden, als wären wir Monate oder Jahre unterwegs gewesen. Pracseda wollte mich aus ihrer Umarmung gar nicht mehr entlassen und hielt den Arm noch eine ganze Weile um mich gelegt als hätte sie Angst, dass wir direkt wieder fahren. Dabei waren wir alle unglaublich froh, endlich wieder Zuhause zu sein!